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Kaiserbrief vom 27. November 1870

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Als Kaiserbrief wird das vom norddeutschen Bundeskanzler Otto von Bismarck am 27. November 1870 aufgesetzte und durch den bayerischen König Ludwig II. (geb. 1845, reg. 1864–1886) am 30. November 1870 unterzeichnete Schreiben an die deutschen Bundesfürsten bezeichnet. Den Kaiserbrief übergab Ludwigs Onkel, Prinz Luitpold von Bayern, der spätere Prinzregent (1886–1912), dem preußischen König am 3. Dezember 1870 persönlich.

Ludwig II. gab mit diesem Schreiben, das dem preußischen König Wilhelm I. die Kaiserwürde des neu gegründeten Deutschen Reichs antrug, den Anstoß zur Kaiserproklamation Wilhelms I. im Spiegelsaal von Versailles, wo sich noch während der Belagerung von Paris im Deutsch-Französischen Krieg die deutschen Fürsten und Vertreter der freien Städte am 18. Januar 1871 zusammengefunden hatten.

Der Text des Kaiserbriefes (Auszug):

„Nach dem Beitritte Süddeutschlands zum deutschen Verfassungsbündnis werden Ew. Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten sich erstrecken. Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Überzeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesamtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte durch Wiederherstellung eines Deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde als Rechte bezeichnet werden, welche Ew. Majestät im Namen des gesamten deutschen Vaterlandes aufgrund der Einigung seiner Fürsten ausüben. Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemeinschaftlich mit mir bei Ew. Majestät in Anregung zu bringen, daß die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde.“

Wilhelm I. übernahm das neue Amt als Deutscher Kaiser nur sehr zögerlich, da er sich in erster Linie als preußischer König verstand. Andererseits waren die süddeutschen Fürsten nicht unbedingt bereit, Wilhelms Wunsch, sich „Kaiser von Deutschland“ zu nennen, zu akzeptieren, da sie keinen neuen Souverän über sich anerkennen wollten. Schließlich war es sowohl Wilhelms wie auch Bismarcks Anliegen, den Akt der Verleihung und Begründung der neuen Würde als einen der deutschen Fürsten und nicht der Parlamente erscheinen zu lassen. Noch deutlich war in Erinnerung, dass 22 Jahre zuvor (1848) Wilhelms Bruder und Vorgänger Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserdeputation, die ihm im Auftrag der Frankfurter Nationalversammlung die Kaiserkrone für ein kleindeutsches Reich angetragen hatte, mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass er die Kaiserkrone nicht ohne „das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und der freien Städte Deutschlands“ annehmen könne, da er kein geborener Kaiser war. Bismarck konnte daher Wilhelms Zustimmung nur gewinnen, wenn ihn die deutschen Fürsten und freien Städte baten, die Kaiserkrone, „die alte, legitime, seit 1806 ruhende Krone deutscher Nation“, wie Wilhelm sie an anderer Stelle beschrieben hatte, anzunehmen. Dies wiederum konnte nur durch den Bayerischen König geschehen, da er – nach dem König von Preußen – als der ranghöchste der Fürsten klein-deutscher Nation galt.

Ludwig II., seit 1864 im Amt, war aber ein Anhänger der Großdeutschen Lösung, einer deutschen Einigung unter Einschluss Österreichs und damit auch unter Führung des österreichischen Kaisers, zudem und vor allem unter voller Wahrung der bayerischen Souveränität. Er hatte die Niederlage im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866, in dem Bayern zusammen mit Sachsen, Baden, Württemberg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Nassau als Verbündete an Österreichs Seite gestanden hatte, nicht verwunden. Bayern musste Preußen 30 Millionen Gulden Entschädigung zahlen und sein Heer im Kriegsfalle preußischem Oberbefehl unterstellen.

Unter diesem Oberbefehl waren mit begeisterter Zustimmung der Bevölkerung 55.000 bayerische Soldaten 1870, von dem preußischen Prinzen Friedrich Wilhelm angeführt, in den Krieg mit Frankreich gezogen; Ludwig hatte sich geweigert, die Führung zu übernehmen. Ebenso war er den Siegesfeiern in Versailles ferngeblieben und hatte das an ihn auch seitens der eigenen Regierung und im Auftrage Bismarcks herangetragene Ansinnen, den preußischen König zum deutschen Kaiser zu machen, abgelehnt. Seine Regierung hatte indessen ohne seine Zustimmung bereits den Beitritt zum Deutschen Reich angekündigt, während Ludwig noch Frankreichs Kriegsverluste beklagte.

 

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